Bonn, 22. November 2023. Die Weltwirtschaft verändert sich in Richtung grüne Technologien und Geschäftsmodelle. In Entwicklungs- und Schwellenländern (ESL) werden die sich daraus ergebenden Chancen aber meist noch nicht ausreichend genutzt. Die neue BMZ-Strategie für "Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Ausbildung und Beschäftigung" setzt auf einen grünen und inklusiven Strukturwandel und erkennt an, dass nur ein gerechter Übergang mit glaubwürdigen Co-Benefits gesellschaftliche Akzeptanz finden kann.
Um den grünen Wandel in ESL zu beschleunigen, muss daher gezeigt werden, wie eine grünere Wirtschaft direkte Vorteile für die Volkswirtschaft und die Mehrheit der Bürger*innen bieten kann – z.B. Beschäftigung, Exporte oder Energiesicherheit. Die laufenden Kooperationsportfolios müssen nun an diese Ausrichtung in der Kernthemenstrategie des BMZ angepasst werden. Wir schlagen folgende Anpassungen vor (für eine ausführlichere Version hier klicken):
Armutsminderung über Einnahmen aus ökosozialen Steuerreformen: Die ESL müssen ihre Steuereinnahmen erhöhen, z.B. für Investitionen in Infrastruktur, Bildung und soziale Sicherheit. Es ist besser, unerwünschte Aktivitäten zu besteuern als erwünschte, z. B. Umweltverschmutzung anstelle von Einkommen oder Unternehmen. Preissignale sind für eine grüne Transformation unerlässlich und müssen nicht zu Lasten der Armen gehen. Ökosoziale Steuerreformen, die Umweltverschmutzung bepreisen und umweltschädliche Subventionen abschaffen, sind eine Win-Win-Option. Sie werden politisch und gesellschaftlich akzeptabel, wenn die Einnahmen dazu verwendet werden, die Steuern auf produktive Güter zu senken und die Ausgaben zugunsten der Armen zu erhöhen. Ökosoziale Steuerreformen sollten zur Priorität werden in allen deutschen Kooperationsprogrammen zu wirtschaftlicher Entwicklung oder Klimawandel.
Nachhaltige Städte als Konjunkturprogramm: Allein in Sub-Sahara Afrika müssen jährlich 15 Mio. Arbeitsplätze geschaffen werden - aber wie? Die Verstädterung ist in vollem Gange, vor allem in Afrika und Südasien, und erfordert massive Investitionen in Gebäude und Infrastruktur. Dadurch werden über Jahrzehnte hinweg enorme Kohlenstoffemissionen vorprogrammiert, wenn sich die Stadtplanung nicht grundlegend ändert: Hin zu gemischt genutzten Vierteln, kohlenstoffarmem Verkehr und nachhaltigen Gebäuden. Die gute Nachricht ist, dass das Bauen mit erneuerbaren Materialien statt emissionsintensivem Stahl und Zement viele neue Arbeitsplätze schafft, und dass gemischt genutzte Viertel eher kleine als große Unternehmen begünstigen.
Geschäftsmodelle für nachhaltigen Konsum: Die Mittelschicht in Schwellenländern boomt, und ihre zunehmende Kaufkraft führt häufig zu nicht nachhaltigen Konsumgewohnheiten - Autokauf, Fast Fashion, Flugreisen. Diese Nachfrage für die grüne Wirtschaft zu nutzen, ist entscheidend und bietet großes Potenzial für die Partnerländer. Der lokale nachhaltige Konsum in ESL ist noch kein Schwerpunkt der deutschen Zusammenarbeit - sollte es aber sein, z.B. durch die Zusammenarbeit mit dem Einzelhandel als Change Agent, Ökodesign-Richtlinien, lokale grüne Verbraucherstandards und die Förderung grüner Start-ups.
Inklusive grüne Finanzierung: Eine grüne Transformation erfordert hohe zusätzliche öffentliche und private Investitionen. Erfreulicherweise gibt es immer mehr grüne Finanzinstrumente, vor allem in den Portfolios öffentlicher Banken. Dennoch besteht bei grüner Finanzierung die Gefahr, dass sie finanzielle Ausgrenzung verschärft. Wenn der Zugang zu erschwinglichen Finanzmitteln nicht gewährleistet ist, können strengere Umweltnormen kleine Unternehmen gefährden, die nicht in saubere Technologien investieren oder für Umweltzertifizierungen bezahlen können. Politische Entscheidungsträger können unterstützt werden, Finanzinstrumente sowohl grün als auch inklusiv zu gestalten, z. B. durch die Erleichterung IT-gestützter Verfahren, um die Kosten für Kredite und Versicherungsprodukte für KMU und Haushalte zu senken.
Grüne Industriepolitik: Industriepolitik und technologisches Lernen haben in den aufholenden Ländern eine Schlüsselrolle gespielt, denen es gelang, die Produktivitäts- und Einkommenslücke gegenüber den reichen Nationen zu schließen. Dennoch hat die Entwicklungszusammenarbeit selten systematisch eine sektorweite Perspektive für einen produktivitätssteigernden Strukturwandel eingenommen. Mit dem Übergang zu einer globalen grünen Wirtschaft ändern sich die Möglichkeiten der industriellen Entwicklung, und es werden neue technologische Fähigkeiten benötigt. Grüner Wasserstoff ist ein Beispiel, das Chancen für industrielle Entwicklung, wirtschaftliche Diversifizierung und technologisches Lernen in Ländern mit guten Voraussetzungen für die Nutzung erneuerbarer Energien verspricht.
Diese Vorteile ergeben sich jedoch nicht automatisch. Ohne nationalen Aufbau industriepolitischer Fähigkeiten können Wasserstoffinvestitionen leicht zu technologischen Enklaven in ausländischer Hand werden, die eher der Rentengenerierung als der technologischen Entwicklung dienen. Deutschland sollte wichtige industriepolitische Institutionen unterstützen: Organisationen für technologische Vorausschau, Multi-Stakeholder-Plattformen und Fraunhofer-ähnliche Institute für vielversprechende grüne Technologien. Parallel dazu sollte Deutschland Handelsmaßnahmen und –regeln unterstützen, die die Möglichkeiten von Ländern mit niedrigem Einkommen zur Umsetzung einer wirksamen grünen Industriepolitik erweitern.
Für alle oben genannten Bereiche gilt, dass sich die Herausforderungen in ESL von denen in Ländern mit hohem Einkommen unterscheiden. Es ist daher unerlässlich, dass erfolgreiche und lokal angepasste Programme gemeinsam mit lokalen Partnern entwickelt werden. Ein gerechter grüner Übergang, der über eine gesündere Umwelt hinaus Vorteile bringt und von der Gesellschaft unterstützt wird, ist dann erreichbar.
As part of its new Belt and Road Initiative (BRI), China has financed and constructed numerous expensive infrastructure projects in low- and middle-income countries in the past decade. This creates additional competition on the “global market for development” and improves the negotiating position of recipient countries, according to Pascal Abb from the Peace Research Institute Frankfurt (PRIF). Abb explains, however, that western countries are concerned that China’s engagement is undermining democracy promotion. He points out that in contrast to western development policy, Beijing does not require that its partners practice good governance, which would include upholding human-rights and environmental standards.
Is China actively trying to undermine democratic structures in partner countries? Empirical evidence is lacking, argued experts from a variety of disciplines at a PRIF conference in October in Frankfurt. It is true that BRI loans have contributed to the current over-indebtedness problems in developing countries, and China has been hardly willing to restructure. Nevertheless, conference participants rejected the widespread accusation that China set debt traps, saying that there is not enough evidence for that claim, either.
On the other hand, western governments have been criticised for being too quick to toss out their values when geostrategy or realpolitik would seem to require it. Thus, cooperation with autocracies is “depoliticised” when it concerns critical areas like security or energy, says Hannes Warnecke-Berger from the department of international and inter-societal relations at the University of Kassel. He argues that western governments withhold calls for democracy and human rights to avoid damaging relationships with autocratic countries.
European incoherenceRichard Youngs from the think tank Carnegie Europe is interested in the discrepancy between rhetoric and action in western policy too. He notes that while leading EU politicians like to talk about the conflict between democracy and autocracy, for years, most European cooperation has been with autocracies, for example in the areas of development aid, energy, climate, security and migration.
Youngs emphasises that nowadays autocracies are less dependent on cooperation with democracies than they were just a few years ago. Correspondingly they respond even more reservedly to calls to democratise. Democracy support is therefore going increasingly to grassroots organisations and, when possible, to democratic groups within authoritarian states. However, Youngs points out that many of these pro-democracy civil-society organisations do not enjoy much support from local people.
Participants in the PRIF conference also discussed the risk that developing countries could suffer as a result of the systemic struggle between the West and China. According to Sinologist Marina Rudyak from the University of Heidelberg, German politicians are sometimes more interested in “solving our China problem” than in addressing common development tasks. Instead, she believes they must find ways to work together pragmatically in the interest of disadvantaged countries.
Besides, Rudyak argues that China and western states are not seen as systemic competitors in the global south. Each side offers something different, she says. Whereas China tends to focus on hard infrastructure like roads or harbours, the west is attractive especially when it comes to building social infrastructure like hospitals. According to Rudyak, both are equally needed.
Berthold M. Kuhn Dimitrios L. Margellos 12.08.2022 On the way to a multipolar world orderLink
PRIF Annual Conference 2023:
https://www.prif.org/en/events/annual-conference/annual-conference-2023
Isah Shafiq is a student of political science at Goethe University Frankfurt. He wrote this article as an intern at D+C/E+Z’s editorial office.
isahshafiq@web.de